Marc Pfertzel
  "Die Ultras kommen in die Kabine"
 

19. Oktober 2007

"Die Ultras kommen in die Kabine"

Wie Luca Toni wechselte er aus Italien nach Deutschland: Der Elsässer Marc Pfertzel vom VfL Bochum erzählt vor dem Spiel gegen den FC Bayern im SPIEGEL-ONLINE-Interview über Taktik-Training, aufdringliche Fans und katastrophale Zustände in der Serie A.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind im August von AS Livorno zum VfL Bochum gekommen, worin besteht für Sie der größte Unterschied zwischen der Serie A und der Bundesliga?

Marc Pfertzel: Deutschland ist viel professioneller. Unser Trainingsplatz und unsere Kabinen in Bochum sind fantastisch im Vergleich zu dem, was ich aus Livorno kannte. Da war es amateurhaft. Für Milan oder Inter mag das nicht gelten, aber bei den kleineren Klubs ist der Unterschied zwischen Deutschland und Italien riesig.

 

Bochumer Pfertzel (hinten): "Deutschland ist viel professioneller"
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Bochumer Pfertzel (hinten): "Deutschland ist viel professioneller"

SPIEGEL ONLINE: Gilt das auch für den Fußball?

Pfertzel: Es sind zwei unterschiedliche Arten zu spielen. In Deutschland geht es viel schneller nach vorne und es wird viel mehr gekämpft, in Italien dagegen wird wesentlich mehr Wert auf Taktik gelegt. Da haben es die Gegner schwer, wenn man 1:0 führt, und nach einem 2:0 ist das Spiel vorbei.

SPIEGEL ONLINE: Wurde auch mehr Taktik trainiert?

Pfertzel: Manchmal so viel, dass einem der Kopf brummte. Mittwochs haben wir nie den Ball gesehen. Am Morgen gingen wir in den Kraftraum und nachmittags haben wir auf dem Platz mit Figuren trainiert. Die wurden vom Trainer in den Rasen gesteckt und dann mussten wir uns entsprechend verschieben. Die rote Figur sollte Maldini darstellen, also haben wir geübt, wohin wir laufen müssen, wenn er am Ball ist. So ging das den ganzen Nachmittag, und hinterher gab es noch Videostudium.

SPIEGEL ONLINE: War das bei allen Trainern so?

Pfertzel: Mehr oder weniger, und ich hatte sieben Trainer in vier Jahren, darunter den jetzigen Nationaltrainer Roberto Donadoni. Sie haben ihn gefeuert, obwohl wir im Februar auf dem fünften Tabellenplatz standen. Für mich war es besonders schade, denn er hat jeden Tag nach dem Training mit mir flanken geübt. Aber unser Vereinspräsident konnte sehr ungeduldig sein.

SPIEGEL ONLINE: Die Fans in Livorno gelten als sehr fanatisch.

 

 

Pfertzel: Das kann man wohl sagen. Für die Leute in Italien ist Fußball wie Religion, aber in Livorno ist es noch spezieller. Dort sagen sie: "Ich bin kein Italiener, ich bin Livornesi."

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das für die Spieler?

Pfertzel: Es gibt viel größeren Druck durch die Zuschauer. In der Woche vor einem Derby kann man nicht ausgehen, weil die Ultras sagen: "Wenn wir dich vor dem Spiel in der Disco sehen, machen wir dich fertig."

SPIEGEL ONLINE: Wie teilen sie das den Spielern mit?

Pfertzel: Vor solchen wichtigen Spielen kamen die Ultras sogar in die Kabine und hielten Ansprachen. Sie sagten, dass sie uns genauso kämpfen sehen wollen, wie sie gegen die anderen kämpfen würden. Livornos große Rivalen sind Pisa, weil das in der Nähe liegt, und Lazio Rom aus politischen Gründen. Die haben rechte Fans, während die Ultras von Livorno Kommunisten sind.

SPIEGEL ONLINE: Wie war es, wenn sie ihr Spiel trotzdem verloren haben?

Pfertzel: Wenn die Ultras das Gefühl hatten, die Mannschaft hat zu wenig gekämpft, haben sie sich beim Training beschwert.

SPIEGEL ONLINE: Wie fanden Sie das?

Pfertzel: Ich hatte persönlich nie ein Problem, weil ich meine Arbeit immer sehr professionell mache. Aber ich finde es nicht gut, wenn Fans die Spieler so unter Druck setzen. Oder wenn sie sich in die Aufstellung einmischen. In meiner ersten Saison sind sie einmal sogar zum Hotel gekommen, um den Einsatz eines Spielers zu fordern. Der Coach hat sich geweigert und drei Tage später wurde er gefeuert.

SPIEGEL ONLINE: Am Samstag werden Sie mit Luca Toni einen Bekannten aus der Serie A wiedertreffen ...

Pfertzel: ... aber nicht nur ihn. Gegen Ribery habe ich auch schon gespielt, in der dritten französischen Liga. Er war bei Olympique Alès und ich bei Sète 34.

SPIEGEL ONLINE: Konnte man da schon sehen, wie gut er mal werden würde?

Pfertzel: Tja, er war schon gut, aber das war auch in der dritten Liga. Manchmal ist es schon erstaunlich, wie sich Karrieren entwickeln. Also vielleicht spielt gerade irgendwo in der Regionalliga der neue Beckenbauer und muss wie Franck nur entdeckt werden.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben sie Luca Toni erlebt?

Pfertzel: Er ist ein so toller Stürmer, der trotz seiner Größe sehr gut Fußball spielt. Und er holt viele Bälle mit der Brust herunter, die andere nur köpfen können. Aber viermal habe ich gegen ihn gespielt und immer haben wir gegen den AC Florenz gewonnen!

SPIEGEL ONLINE: Dann sollte Sie ihr Trainer wohl am besten gegen die Bayern einsetzen.

Pfertzel: Ja, das wäre gut.

(Quelle: Spiegel Online)

 
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